Insgesamt ist es zunächst erfreulich, dass ein Änderungsgesetz ausgearbeitet wurde und
dieses in Teilen in die richtige Richtung geht. Trotzdem bleibt es weit hinter den Erwartungen
zurück. Aus unserer Sicht wird mit dem Änderungsgesetz viel Potential verschenkt.
Auf die einzelnen Punkte gehen wir im Folgenden genauer ein.
Positiv herausstellen möchten wir zunächst die Studienstarthilfe. Sie zeigt, dass es
durchaus Potenzial gibt, Reformen im BAföG durchzuführen und ist ein wichtiger Schritt
in Richtung Chancengerechtigkeit im Studium. Dass diese, laut Novelle, auch unbürokratisch
beantragbar sein soll, freut uns sehr. Wir bezweifeln dennoch die tatsächliche
Wirksamkeit der Studienstarthilfe, da diese vermutlich erst dann ausgezahlt wird, wenn
die Kosten, die diese decken soll, schon angefallen sind. Auch reichen 1.000 Euro nicht
für die Bandbreite an Kosten, die anfallen würden und für die die Studienstarthilfe gemäß
Gesetzesentwurf angedacht ist.
Positiv bewerten wir auch die Einführung eines Flexibilitätssemesters. Allerdings gibt es
zahlreiche Studiengänge, in denen Veranstaltungen nur jedes zweite Semester besucht
werden können. Zudem schaffen es nur 32 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2024) ihren
Studiengang in Regelstudienzeit zu absolvieren. So liegt beispielsweise der Median
im Studiengang Chemie im Bachelor bei 7,0 Semestern und im Master bei 5,3 Semestern,
sodass die Gesamtstudiendauer bei 12,3 Semestern liegt (GDCh, Nachrichten der
Chemie, 2022). Die durchschnittliche Studiendauer nach dem arithmetischen Mittel liegt
mit 13,8 Semestern in diesem Fach höher. Ein Wegfall der Ausbildungsförderung kann
in einigen Fällen der Grund für den Abbruch des Studiums sein. In anderen Fällen muss
der Wegfall anders kompensiert werden. Dies ist in aller Regel die Aufnahme einer Arbeit
neben dem Vollzeitstudium.
Eine Nebentätigkeit kann sich ebenfalls negativ auf Studiendauer und -qualität auswirken.
Dies ist nicht im Sinne von Individuum, Gesellschaft und Staat. Daher wünschen wir
uns an dieser Stelle eine Überarbeitung, damit ein weiteres, zusätzliches Flexibilitätssemester
möglich wird.
Eine Erhöhung der Freibeträge, wie sie auch in der aktuellen Novelle vorgesehen ist,
war dringend notwendig, bleibt jedoch leider weit hinter den Möglichkeiten zurück. Aus
unserer Sicht erhalten zu wenige Schüler*innen und Student*innen BAföG. Der Trend in
den letzten Jahren zeigt sogar, dass immer weniger Menschen BAföG in Anspruch nehmen
(können) (Statistisches Bundesamt, 2022). Neben bürokratischen Hürden ist hier
der zu gering angesetzte Freibetrag zu nennen. Wir haben die Sorge, dass bei steigenden
Nominallöhnen weitere Menschen aus der Ausbildungsförderung herausfallen oder
geringere Förderbeiträge erhalten und sich der negative Trend der letzten Jahre fortsetzt.
Daher fordern wir das BMBF auf, hier zu handeln und die Freibeträge zu erhöhen.
Eine dringende Überarbeitung erhoffen wir uns zudem bei den Bedarfssätzen und der
Wohnkostenpauschale. Dass diese, in Zeiten hoher Inflation und enorm angestiegener
Lebenshaltungskosten, nicht erhöht werden, ist für zahlreiche Studierende mehr als nur
eine herbe Enttäuschung, sondern existenzbedrohend und führt dazu, dass mehr Studierende
einen Nebenjob in Anspruch nehmen müssen, worunter - wie an anderer Stelle
schon genannt - das Studium leidet.
Die Finanzierung unserer Forderungen kann von den - vom Haushaltsausschuss des
Bundestages bereitgestellten - 150 Mio. Euro erfolgen.
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